Nach dem Ironman Austria 2018

Drei Wochen sind nun seit dem IRONMAN Austria, meiner ersten Triathlon-Langdistanz vergangen. So wie ich mir bis zum Start nicht ganz vorstellen hatte können, wie man 226 Kilometer schwimmend, radelnd und laufend absolvieren kann, war ich auch neugierig, wie sich die Tage danach anfühlen würden – und vor allem, ob ich drei Tage danach schon wieder sicher Auto fahren würde können. Denn irgendwann musste man von Urlaubs-/Wettkampfort ja auch wieder abreisen.

Montag – Tag 1 danach: Nach dem Feuerwerk um 0:15 kam ich erst so gegen ein Uhr ins Bett. Gut schlafen konnte ich nicht, weil ich doch ziemlich aufgewühlt war. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zur Expo, um jetzt wirklich shoppen zu gehen. Und wir trafen am Weg einige Bekannte, mit denen der Vortag noch einmal besprochen wurde. Eigentlich wollte ich mich mehr bewegen, um die Steifheit der Glieder und den Muskelkater in Grenzen zu halten. Doch dann verbrachten wir den ganzen Tag in der Pizzeria am Lido: essen, Fußball schauen und noch einmal mit Freunden und Bekannten zusammensitzen. Irgendwie schaffte ich es doch, zwischendurch zwei Kilometer ganz langsam (und steif) zu laufen.

KellnerQuerenStraßeDienstag – Tag 2 danach: Nun stand aber wirklich Bewegung am Programm, ein Spaziergang vom Hotel den Lendkanal entlang bis ins Stadtzentrum – also noch einmal einen Teil der Laufstrecke Revue passieren lassen. Der Muskelkater hielt sich absolut in Grenzen. Ich bin immer noch sehr dankbar, dass ich diese 226 Kilometer absolvieren konnte, ohne danach körperlich total angeschlagen zu sein. Mittagessen gab es in Klagenfurt am Landhausplatz. Dort konnte ich mir die Passage durch den Torbogen aus der Zuschauerperspektive noch einmal anschauen. Der einzige Unterschied zum Renntag: jetzt stand eine große Tafel mit einer Warnung vor querenden Kellnern dort – die gab es am Wettkampftag nicht (glaube ich zumindest).

Mittwoch – Tag 3 danach: Eine knapp zweistündige Autofahrt zu meinem Elternhaus stand bevor. Die Beine waren o.k., so dass einer sicheren Fahrt tatsächlich nichts im Wege stand – außer mein fehlender Orientierungssinn (trotz Navi), aber das ist eine andere Geschichte. Gleich nach der Autofahrt hängte ich noch meinen täglichen 2-km-Lauf an, schön langsam und regenerativ. Momentan interpretierte ich den Trainingsplan recht frei.

IMG_2881 2Donnerstag – Tag 4 danach: Dieser Trainingsplan hätte schon am Dienstag 30 Minuten regenerativ am Rad vorgesehen. Wir borgten uns die Mountainbikes von der Familie aus und fuhren ins Hüttendorf – ca. 10 Kilometer taleinwärts auf einer Schotterstraße und talauswärts das Ganze dann einfach rollen lassen – blauer Himmel, die Berge rundherum, dahoam ist es einfach am schönsten!

WanderungSamstag – Tag 6 danach: Ein Wanderung mit der Familie vom Hüttendorf zur Landawirseehütte sollte das Erholungsprogramm der ersten Woche abrunden. Es ging ca. fünf Kilometer und 500 Höhenmeter bergauf. Oben gab es Kaspressknödelsuppe und Kaiserschmarrn (leider nicht mehr so gut wie beim Gerald).  Runter ging ich ein bisschen flotter, um unten noch meine zwei Kilometer zu laufen und mich dann vom Schwager einsammeln zu lassen. Irgendwie hatte ich mich aber mit dem Tempounterschied beim Runtergehen verschätzt . Ich lief Kilometer um Kilometer talauswärts, teilweise richtig flott, weil es ja leicht bergab ging, und mein Einsammeltaxi kam einfach nicht daher. So wurden es fast acht Kilometer, bis ich aufgelesen wurde. Auch gut, es machte einfach Freude.

Woche 2 danach: Der Urlaub war zu Ende, der Arbeits- und der Trainingsalltag begannen wieder. Ich fühlte mich immer noch ein bisschen müde, konnte aber das Training mit den aktuell geringeren Umfängen und Intensitäten gut umsetzen. Eigentlich hatte ich Lust, ein bisschen mehr zu tun. Gedanklich beschäftige es mich, dass ich für den Herbst keine konkreten Ziele und Pläne hatte. Für mich hatte letzten Herbst bei der Saisonplanung das Jahr (und die Welt überhaupt) am 1.7.2018 geendet. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass nach meinem IRONMAN auch noch was kommen könnte.

Woche 3 danach: Wenn die Trainingsumfänge von 12 Stunden wöchentlich (bzw. zuletzt auch ein paar Mal 20 Stunden pro Wochen) auf vier bis sechs Stunden reduziert werden, hat man plötzlich Zeit für anderes – zum Beispiel einen Yoga-Block ins Training einzubauen. Die Stabis kommen ja eh meistens zu kurz. Und weil es sich gerade so ergab, wurde es Bikram-Yoga. Das war früher für mich undenkbar, denn wer geht freiwillig in einen Raum mit 38-40°C, um dort Bewegung zu machen? Nach den ersten zwei Terminen habe ich mein ganz persönliches Mantra für diese Trainingsform gefunden: „Bist du deppat …! (… ist das heiß).“ Aber es scheint gut zu tun.

Mein IRONMAN Austria 2018

Das ist eine Nachlese zu einem Sonntag voller Emotionen, der um 3:45 begann und um 0:15 mit einem Feuerwerk und einem Gruppenselfie endete. Dazwischen lagen 226 Kilometer zu Wasser, zu Radl und zu Fuß – und ganz viele tolle Menschen am Streckenrand. Der IRONMAN Austria 2018 war meine erste Triathlon-Langdistanz und ein Erlebnis, dessen Verarbeitung und Nachbereitung sowohl körperlich als auch mental und emotional etwas länger dauert als bei anderen Bewerben.

Das mit den Emotionen begann schon vor dem Start. Mir schießen ja bei der Hymne immer die Tränen in die Augen (auch jedes Jahr beim Vienna City Marathon). Die ersten Tränen waren noch zu unterdrücken, aber ein bisschen später ist die Emotion dann doch mit mir durchgegangen, und ich war so unendlich froh, dass meine Tochter Kiki einfach da war – ich drinnen im Startblock, sie draußen, zwischen uns das Absperrgitter lagen wir uns in den Armen.

IMG_7507_blogDann setzte sich doch die Konzentration durch. Am Weg zum Start war ich die einzige mit einer knallpinken Badehaube – auf der Suche nach der sogenannten „goggle washing area“, hochtrabender Ausdruck für eine kleine Plastikwanne mit etwas Wasser wenige Meter vor dem Start. Nach dem Waschen der Schwimmbrille war ich also noch mit Feinjustierungen beschäftigt (Brille und darüber die offizielle Badehaube aufsetzen), als ich schon direkt am Start stand und nicht gleich den anderen hinterherlief ins Wasser. Irgendwann begann der Moderator dann einen Spezialcountdown für mich (5-4-3-2-1), klatschte mit mir ab, und es ging ganz am Ende des Feldes los. Wie geplant fand ich eine gute Körperspannung und einen guten Rhythmus, das Orientieren funktionierte, ein paar Wellen störten nur wenig, beim Stau bei der ersten Wendeboje nahm ich mich ein bisschen zurück. Dann ging es an zwei Richtungsbojen weiter zur zweiten Wendeboje, wo mich die Richtungsbojen zurück zuerst ein wenig verwirrten – aber mit dem großen Gebäude beim Lorettobad im Hintergrund und den vielen Richtungsbojen war der Weg zum Lendkanal gar nicht zu verfehlen. Zwei Dreiecksbojen markierten den Eingang zum Lendkanal, das Getümmel wurde ein bisschen dichter, ab und zu gab es Berührungen. Ich blieb in der Mitte und hielt meinen Rhythmus. IMG_7525_blogRelativ bald entdeckte ich meine Supporter am Ufer, die mich tatsächlich erkannten und dann mit mir mitwanderten. In der Nähe des Ziels gab es erste Anzeichen eines Wadenkrampfes – aber das hatte ich in den letzten Wochen auch geübt. Wenn ich mit Neo schwimme, weiß ich, wie ich Krämpfe beim Schwimmen in Schach halten kann. Beim Schwimmausstieg gab es eine Heerschar von Helfern, und nach den Anzeichen von Krampf ließ ich mir da gerne aus dem Wasser helfen! Ich hörte etwas von 1:35 und dachte nur: „Super, unter 1:40 geblieben“ – meine Schwimmzeit war aber letztendlich 1:29:29. Das hätte ich mich vorher für 3,8 Kilometer zwar gewünscht aber nicht zugetraut.

Mein größtes Problem nach dem Schwimmen war, dass ich schon so dringend aufs Klo musste. Ich glaube, ich habe nicht nur das Maltodextrin am Start sondern den halben Wörthersee ausgetrunken. Dieses Mal habe ich nach dem Umziehen auch meine Verpflegung wie geplant ins Trikot gestopft und außerdem am Weg zum Rad noch ein paar Bissen von der Käsesemmel genommen.

Nach einer Stunde und 45 Minuten ging es dann auf die Radstrecke. Familie, Freunde und Vereinskollegen vom Team Sportordination (TSO) standen lautstark an der Radwende, um mich gebührend zu verabschieden. Ich hatte die Radstrecke im Mai schon kennengelernt, fühlte mich wohl und hatte Spaß am Radeln. Beim ersten steileren Anstieg, dem Ribnighügel, wurde ich von einer weiteren Gruppe von Freunden und TSO-Vereinskollegen erwartet und frenetisch angefeuert. Insgesamt waren mehr als 30 Personen in unterschiedlichen Gruppen auf der gesamten Strecke verteilt – gefühlt waren die TSO-Supporter also immer und überall. IMG_2868So war es nicht schwer, immer wieder mit einem breiten Grinser auch die heftigeren Anstiege hinauf zu strampeln. Auch am berühmten Rupertiberg stand jemand vom Verein: Matthias war schon um 6:30 mit dem Rad losgefahren, um sich zu positionieren. Und dann in Klagenfurt bei der Radwende (nach einem Boxenstopp bei der Labestation) standen sie auch wieder, und gleich danach am Beginn der Süduferstraße – immer und überall Team Sportordination (TSO) & Co.! Ich war erstaunlich gut in der Zeit und machte mir Gedanken, ob ich vielleicht überpowert hätte. Die zweiten 90 Kilometer fühlten sich immer noch  gut an, die Supporter waren noch immer an denselben Stellen und mindestens so laut und motiviert wie schon Stunden davor. Vor den zwei Anstiegen blieb ich nun jeweils kurz stehen, um Gel und Getränke (= Energie) zu mir zu nehmen. Dann war ich nach 7:08:00 mit den 180 Kilometern fertig. Zwei Gedanken beschäftigten mich auf den letzten 25 Kilometern am Rad: 1. Wie soll das funktionieren, jetzt auch noch einen Marathon zu laufen? Ein bisschen laufen nach dem Radeln (= koppeln) ja, aber 42,2 Kilometer? Und 2. erschienen nun die 14 Stunden nicht mehr ganz unrealistisch. Logisch und im Nachhinein betrachtet passen Gedanke 1 und Gedanke 2 eigentlich nicht ganz zusammen. Man kann also doch nicht mehr so klar denken nach neun Stunden Sport, aber Marathon laufen geht auch dann noch.

Nach einem kompletten Outfitwechsel ging es auf die Laufstrecke. Wieder war relativ rasch ein Rhythmus gefunden. Das Laufen fühlte sich langsam an, aber viel schneller wäre auch nicht (lange gut) gegangen. Immerhin konnte ich kontinuierlich andere Läufer überholen. Viele gingen mehr als dass sie liefen. 45753a2b-7c72-49bc-9984-2429c201dbf0Mein Ziel war es, den Marathon durchzulaufen – und das hat funktioniert. Nur bei den Labestationen bin ich gegangen, weil ich es hasse, mich mit Getränken anzuschütten. Ich nahm bewusst regelmäßig Wasser und Iso, probierte die Pizza und die Salzcracker (beides nix für mich) und blieb schlussendlich bei meinen eigenen Gels und einem Stück Banane. Gedanklich portionierte ich die Strecke und lief so eine überschaubare Etappe nach der anderen. Und immer wieder waren da die TSO-Supporter, die anfeuerten, klatschten und fotografierten. Es war jedes Mal aufs Neue eine Freude! Tempo, Konzentration und Motivation waren auf einem ganz eigenartigen Energielevel – nicht extrem hoch, aber irgendwie total ausbalanciert und fokussiert.

Bei Kilometer 40 stand meine Nichte Lisa mit ihrer Laufadoptivfamilie, bei Kilometer 41 meine Tochter Kiki und Freunde. Die letzten zwei Kilometer lief ich mit einem Dauergrinsen und einer tiefen inneren Freude – und mit dem Blick auf die Uhr: die 14 Stunden würden sich ganz leicht ausgehen! Das war mein Plan A (Untertitel: „Wunschtraum“ – nicht ganz realistisch; funktioniert nur, wenn alles perfekt passt). Plan B wäre so um die 15 Stunden gewesen und den Marathon durchzulaufen. Plan C wäre das Finishen (auch mit Gehen) in 17 Stunden gewesen.

Wenige Meter vor dem Zielkanal stand noch eine TSO-Gruppe am Streckenrand. 6696390f-fec4-4e06-9b26-0517c340fbcfDann kam die letzte Kurve, und der Zieleinlauf begann. Jetzt nahm ich keine Details und auch keine Einzelpersonen mehr wahr. Alles war rot, laut, voller Menschen, und ich lief mit einem Grinser bis zum Zielbogen. Dort drehte ich mich noch einmal um und sah Kiki, die sich bis ganz nach vorne gekämpft hatte, und ich konnte Ihr doch noch zujubeln. Wenige Minuten später war sie es dann, der vor lauter Emotionen die Tränen gekommen sind – und wir sind uns im Ziel so wie in der Früh am Start in den Armen gelegen.

Gut, dass Kiki und Alex L. einige Videoclips gedreht haben. So habe ich im Nachhinein die berühmten Wort „Rosa, you are an Ironman“ auf meinem privaten Wettkampfvideo doch noch mitbekommen.

(Musik im Video: Accelerator / von Dag Reinbott / https://www.terrasound.de)
(Fotos: Kiki Z., Walter F., Alex L., Lisa F.)